Dr. Dieter Kraus
Fallbesprechung Grundrechte SS 1997
Fall 9 (Tote Tiere an hohen Schulen):
Studentin S studiert Tiermedizin an der staatlichen Universität U.
Laut der für S geltenden Studien- und Prüfungsordnung ist ein
Physiologiepraktikumsschein Voraussetzung für die Zulassung zum Examen.
In allen zur Erlangung dieses Physiologiescheins angebotenen Praktika müssen
die Studierenden Tierpräparationen an eigens für die Zwecke des
Praktikums getöteten Fröschen vornehmen. S weigert sich. Auch
nach längerem und selbstkritischem Überlegen könne sie es
nicht mit ihrem Gewissen vereinbaren, daß für ihre Ausbildung
Tiere getötet werden, obwohl sie doch als angehende Tierärztin
Leben schützen und erhalten will (an für andere Zwecke getöteten
Tieren zu experimentieren, will sie sich hingegen nicht weigern). Professor
P, der alle diese Praktika abhält, erachtet die Tiertötungen
aus didaktischen Gründen für unabdingbar, für die Erreichung
der Lernziele notwendig und auch durch Filmvorführungen u.ä.
nicht zu ersetzen. Die Tiermedizinische Fakultät schließt sich
namens der U dieser Auffassung an und teilt der S mit, daß sie keine
ætierverbrauchsfreienÆ Physiologiepraktika einrichten werde. (Sachverhalt
wesentlich vereinfacht, weitere Details in der Besprechung).
Verletzt die Haltung der Universität die Studentin S in ihren
Grundrechten?
Hinweis: Es ist davon auszugehen, daß die Tiertötungen tierschutzrechtlich
zulässig sind. Vorschriften des Tierschutzgesetzes bleiben im übrigen
außer Betracht.
Zur Vertiefung & zum Selbststudium:
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BVerwG
, Urteil vom 18. Juni 1997 û 6 C 5.96 (noch unveröffentlicht);
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VGH Mannheim
, VBlBW 1996, 356;
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VGH München
, NVwZ-RR 1993, 190;
-
VGH Kassel
, NJW 1992, 2373;
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VG Frankfurt/M.
, NJW 1991, 768.
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K. Brandhuber
, Tiertötungen zu Ausbildungszwecken im Spannungsfeld
von Tierschutz, Gewissens- und Lehrfreiheit, NVwZ 1993, 642 ff.;
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Th. Cirsovius
, Zur Frage, ob Studenten die Teilnahme an Tierversuchen
oder Versuchen an sogenannten frischtoten Tieren verweigern können,
NuR 1992, 65 ff.;
-
E. v. Loeper
, Studentische Gewissensfreiheit und mitgeschöpfliche
Sozialbindung, ZRP 1991, 224 ff.;
-
D. Murswiek
, Grundrechtsdogmatische Fragen gestufter Teilhabe-/Freiheitsverhältnisse,
in: FS K. Doehring, 1989, S. 647 ff.
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Art. 13 IV LV Brandenburg [1992]:
Kann ein Bürger staatsbürgerliche
Pflichten nicht erfüllen, weil sie seinem Gewissen widersprechen,
soll das Land ihm im Rahmen des Möglichen andere, gleichbelastende
Pflichten eröffnen. Dies gilt nicht für Abgaben.
erstellt 06.07.1997/Kr.